Svenja Gluth

„Ich rolle allen Vorurteilen davon!“

Rollstuhlfahrerin Svenja Gluth (29) kämpft gegen Barrieren im Alltag und in den Köpfen

Es gibt Bilder, die zeigen Svenja Gluth beim Skifahren mit ihrem Mann Benjamin (34), gemeinsam auf einem Stehpaddelboot, im Strandurlaub mit der gemeinsamen Tochter (18 Monate alt) oder beim Wanderausflug. Eine ganz normale Familie – bis auf ein Detail. Die 29-Jährige sitzt auf allen Bildern im Rollstuhl.

Die Personalreferentin hat Spinale Muskelatrophie (kurz SMA). Svenja erzählt uns im Interview: „Als ich als Kind laufen lernte, fiel ich manchmal einfach um wie ein Brett.” Bei SMA sterben nach und nach Muskeln ab. Sie wird vererbt, wenn beide Elternteile Träger des Gendefektes sind (das ist auch möglich, wenn sie selbst nicht erkrankt sind). Deswegen ließ Benjamin sich vor Svenjas Schwangerschaft untersuchen und so wusste das Paar schnell, dass ihre Kinder gesund sein werden.

Svenja selbst konnte als Kind noch kurze und mittlere Wege gut gehen, seit sie 16 Jahre alt ist, nutzt sie einen Rollstuhl. Für die junge Mutter, die sich zudem ehrenamtlich in der Lokalpolitik engagiert, ist das aber nichts, wovon sie sich aufhalten lässt, und vor allem nichts, wofür sie Mitleid haben will. „Ich bin ein glücklicher Mensch und genieße mein Leben”, sagt Svenja. Vorurteilen, Barrieren im Alltag und in den Köpfen einiger Mitmenschen hat sie den Kampf angesagt. Allein auf Instagram erreicht sie fast 20 000 Menschen mit wichtigen Botschaften zu Themen rund um Inklusion und Barrierefreiheit und ist dort auch Ansprechpartner für andere Menschen mit Behinderungen. Und sie zeigt, wie eine Mutter, die im Rollstuhl sitzt, ihre Herausforderungen meistert.

Sie sagt: „Wir alle profitieren von Inklusion, Barrierefreiheit und einem Miteinander auf Augenhöhe, auch Menschen ohne Behinderung, wie Ältere mit Rollator, Eltern mit Kinderwagen, sogar derjenige, der sich ein Bein gebrochen hat.”

Und so ist Svenja nicht nur eine wichtige Stimme für alle Menschen mit Behinderungen, sie ist eine echte Mutmacherin – mit und ohne Skier unterm Rollstuhl!

Svenja Gluth

Erinnerungswald bei Wemding

Hier wachsen Trost und Hoffnung

Im Erinnerungswald nahe Wemding finden Sterneneltern Zuflucht und Kinderseelen ein Zuhause

Wenn Sabine Hämmerle den Erinnerungswald bei Wemding in Bayern besucht und sieht, wie ihr Apfelbaum den Wipfel sachte im Wind wiegt, atmet sie auf. „Es ist, als würde mir meine verstorbene Tochter aus dem Himmel zurufen, dass sie endlich bei uns ihren Platz hat“, sagt die 59-Jährige zufrieden. Doch bis dahin war es ein langer Weg. Jahrzehntelang hatte Sabine mit Alpträumen zu kämpfen, weil sie vor 36 Jahren eine Fehlgeburt erlitt. Ein Trauma, über das sie mit niemandem reden konnte – bis ihrer Tochter Sonja, die sie 1984 gesund zur Welt bringen konnte, das gleiche Schicksal widerfahren sollte …

Trost und Hilfe fanden Mutter und Tochter im Verein „Sterneneltern Schwaben“. Anna-Maria Böswald rief ihn 2020 ins Leben – und mit ihm einen Erinnerungswald, in dem Kinderseelen symbolisch weiterleben können. Nachdem Anna-Marias Zwillinge 2016 verstarben, möchte sie betroffenen Eltern nun all das geben, was sie damals so vermisst hat: tröstende Worte, aufklärende Gespräche und vor allem einen würdevollen Umgang. „Wir werden nicht als Eltern anerkannt und die Kinder nicht als Kinder“, bemängelt die 38-Jährige und berichtet von einer Frau, die die sterblichen Überreste ihres Babys drei Monate lang in der eigenen Gefriertruhe verwahren musste, bis die nächste Sammelbestattung anstand. Und alles nur, weil es das bayerische Gesetz bei häuslichen Fehlgeburten unter 500 Gramm so will, wenn sich die Eltern nicht für eine Einzel- sondern bewusst für eine Sammelbestattung entscheiden.

Doch wohin mit all dem Schmerz, all der Trauer? Nahezu täglich erreichen Anna-Maria Anfragen von Eltern, die ihrem Sternenkind einen Baum widmen und diesen gemeinsam pflanzen möchten. Mittlerweile gedeihen 146 Obstbäume in dem liebevoll gepflegten Naturparadies. „Jede Baumsorte gibt es nur einmal, womit wir die Individualität jedes einzelnen Kindes unterstreichen wollen“, erklärt Anna-Maria, die gelernte Erzieherin, Ergotherapeutin und zertifizierte Sternenkindbegleiterin ist. „Dank unserer Bäume und Anna-Marias Engagement konnten Sonja und ich endlich Frieden finden. Auch meine Alpträume sind vorüber“, sagt Sabine, die im vergangenen Jahr ihren Baum gepflanzt hat. Seine Blüte hat sie bereits erlebt. Bald ist Erntezeit. „Dann trägt die Liebe Früchte und die Kinder machen uns Geschenke“, sagen die beiden Frauen lächelnd. Doch auch, wenn Sabine und Anna-Maria diese Geschenke annehmen dürften – essen werden sie sie wohl nicht können …

Sabine Hämmerle Erinnerungswald Wemding

Ingrid Liebs

„Ich ruhe nicht eher, bis der Mörder meiner Tochter gefasst ist!“

Die erst 21 Jahre alte Frauke wurde entführt und ermordet – der Täter ist bis heute nicht gefasst. Eine aber gibt nie auf: ihre Mutter

Ziemlich genau 17 Jahre ist es her, dass sich das Leben von Ingrid Liebs in ein Vorher und ein Nachher teilte – und die Zäsur ihres Lebens ist das Schlimmste, was einer Mutter passieren kann. Am 20. Juni 2006 wurde ihre Tochter Frauke, damals erst 21 Jahre alt, entführt und ermordet. Sie hatte zuvor mit Freunden im Irish Pub „The Auld Triangle“ in Paderborn ein Fußball-WM-Spiel gesehen und sich gegen 23 Uhr auf den Heimweg gemacht. Sie kam nie in ihrer Wohngemeinschaft an.

Einige Male meldete sich Frauke in der folgenden Woche per Handy. Der letzte Anruf erreichte nach einer Woche ihre Schwester und ihren Mitbewohner: „Sag Mama und Papa, dass ich sie ganz doll liebe”, sagte Frauke. Am 4. Oktober wurde ihre Leiche in einem Waldstück bei Lichtenau gefunden.

Ingrid Liebs, mittlerweile 70 Jahre alt, die auch beim Opferschutzverein „Weißer Ring” ehrenamtlich Opfer berät und ihnen hilft, hat seitdem eine Mission: Fraukes Mörder finden. Sie gibt Interviews, nahm kürzlich einen Podcast auf (Stern Podcast: Frauke Liebs – die Suche nach dem Mörder, bei RTL+ abrufbar), steht noch regelmäßig im Kontakt mit den Ermittlungsbehörden und richtet immer wieder mutige Worte an den Unbekannten, der Fraukes ganze Zukunft stahl. „Ich appelliere an den Mörder, aber auch an potenzielle Mitwisser: Sprechen Sie mit mir!”

Ingrid Liebs im Interview mit uns: „Ich will erfahren, was mit Frauke passierte, ich will wissen, warum es sie traf.” Ob die dreifache Mutter Angst hat, dass die Details zu grausam sind? „Ja! Trotzdem ist die Wahrheit das Wichtigste für mich, vielleicht hilft es anders, möglicherweise sogar besser mit Fraukes Tod umzugehen”, sagt sie.

Ein Strafverfahren gegen den Täter, das ist für Ingrid Liebs zweitrangig. Sie weiß, eine gerechte Strafe für das, was der Mörder Frauke, ihrer Familie und ihren Freunden angetan hat, die gibt es sowieso nicht. Sie will Aufklärung. Und wird so zur Mutmacherin für alle, die Opfer eines Verbrechens wurden und wissen: Kein Fall ist je vergessen.

Frauke Liebs

„Du schenkst mir täglich neuen Lebensmut“

Ein Zeckenbiss nahm ihr die Kontrolle über ihren Körper – doch mit Tobias an der Seite ist Juliane eine Kämpferin!

Wenn man Juliane Kuhnlein fragt, wer ihr allergrößter Held ist, ist die Antwort völlig klar: Es ist Tobias. Ihr Pfleger, Helfer, Ehemann und gleichzeitig bester Freund. Seitdem die junge Frau vor drei Jahren von einer Zecke gebissen wurde, hat sich im Leben des Ehepaars aus der Nähe von Coburg in Franken vieles verändert. Nicht aber ihr Zusammenhalt – und mit ihm lässt sich jede noch so große Hürde überwinden.

Es war ein warmer Sommertag im Juni 2020, als Juliane den Zeckenbiss am Bein bemerkte (wir berichteten). Sie war gerade schwanger mit der kleinen Laurena (3). Sowohl sie als auch Ehemann Tobias und Sohn Florentin (6) konnten es kaum erwarten, die Kleine bald endlich im Arm zu haben. Doch das Schicksal schlug unerwartet zu: Juliane erkrankte schwer an FSME, fiel ins Koma und Laurena musste per Notkaiserschnitt zur Welt kommen. Erst acht Wochen später lernte die zweifache Mutter nicht nur ihre Tochter, sondern auch sich selbst völlig neu kennen, denn die Krankheit hat ihre Spuren hinterlassen.

Seitdem die 32-Jährige aus dem Koma erwachte, ist sie kopfabwärts nahezu komplett gelähmt – und so stellte sich das Leben der gesamten Familie von heute auf morgen auf den Kopf. Auch finanziell war irgendwann die Grenze erreicht, denn das gesamte Haus musste behindertengerecht umgebaut werden. Und weil Vollzeit-Pflegekräfte nur schwierig zu finden sind, kümmert sich Tobias neben seinem Vollzeitjob jede freie Minute um seine Frau.

Das kann sehr herausfordernd sein, denn auch der 36-Jährige sehnt sich manchmal danach, einfach wieder Vater sein zu können und mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen. Seit Julianes Erkrankung schläft der Berufsschullehrer in der Nacht nur vier bis fünf Stunden – und das mit Unterbrechungen.

Doch bis sich genug Pflegekräfte gefunden haben, gibt Tobias alles, um seine Frau so gut es geht im Alltag zu unterstützen: „Wir sind alle optimistisch, sodass wir doch ein sehr gutes Familienleben führen können.“ Und Zeit für Familien-Ausflüge wird sich trotzdem genommen! „Um eine Stunde etwas mit Juliane unternehmen zu können, braucht es insgesamt sieben Stunden Vor- und Nachbereitung”. Doch wenn die Eltern am Ende des Tages in die strahlenden Gesichter ihrer Kinder blicken, wissen sie, dass dies alle Mühe wert war. Wenn Sie der Familie helfen wollen, schreiben Sie uns. Wir informieren Sie über das Spendenkonto.

Claudia – der Schutzengel für Betrugsopfer

Trickbetrüger erbeuten immer mehr Geld. Mit einer cleveren Aktion stoppen jetzt Friseure die Gauner

Na, wer von euch hat ein neues Handy?“, begrüßte der Ex-Bezirksschornsteinfegermeister Ende letzten Jahres seine Töchter. Friseurmeisterin Claudia Schmidt (56) aus Uelzen (Niedersachsen) und ihre Schwester schauten ihn fragend an. „Aber ihr habt mir doch eine WhatsApp geschickt, dass ihr Geld für ein neues Handy braucht?”, wunderte sich der Senior. „Nein! Papa, das ist Enkeltrick 2.0!”, warnte Claudia. „Ich hätte nie gedacht, dass ich darauf reinfalle“, wunderte sich ihr Vater. Zum Glück hatte er die angegebene Nummer nicht angerufen.

Für eine Powerfrau wie Claudia Schmidt ist die Geschichte damit nicht zu Ende. Sie will handeln und spricht mit einem Polizisten. Und die beiden haben eine super Idee: Man könnte die Menschen in den Friseursalons vor den Betrügern warnen. Die Kunden sind entspannt, haben oft Vertrauen aufgebaut, sodass sie auch über etwas Dusseliges sprechen, das ihnen passiert ist. Und keine Angst davor haben, dass die Kinder zu ihnen sagen: „Ihr könnt nicht mehr selbst mit Geld umgehen.“

Schnell ließen sich die ansässigen Friseurinnen und Polizistinnen dafür begeistern. „Das Ganze war wie ein guter Schneeball, der ganz schnell riesengroß wurde“, freut sich Claudia Schmidt. „Wir haben seit März die Hälfte aller Salons besucht und Mitarbeiter und Kunden informiert“, erzählt Polizeikommissarin Stella Giese (30) von der Polizei in Uelzen. „In der Hälfte davon sagte jemand: Diese Nachricht habe ich auch schon bekommen.“ An jedem Spiegel hängen nun die Warnungen, sie steht auf Plakaten und auf den Terminzetteln.

Allein im Landkreis Lüneburg werden mit Trickbetrug viele Hunderttausende Euro im Jahr erbeutet, bundesweit sogar viele Millionen. „Die Dunkelziffer ist sehr hoch, weil viele sich schämen”, erzählt Kommissarin Giese. „Auf diese Weise werden Existenzen vernichtet.“ Ihr Tipp: „Man sollte sich immer rückversichern und die Angehörigen, die sich angeblich melden, selbst anrufen. Unter der bis dahin bekannten Nummer. Nichts ist so eilig, dass das nicht möglich wäre.” Gerade Ältere seien sehr höflich. Sie melden sich mit vollem Namen und beenden auch seltsame Telefonate nur ungerne. Dabei sollte man am besten gleich auflegen. „Und im Telefonbuch nur mit abgekürztem Vorname und ohne Adresse stehen.“

Eine Idee wie ein Schneeball, der schnell riesengroß wurde.

Meine Freundin konnte ich nicht retten, aber dich!

Inmitten des größten Unglücks fand Julia Trost, weil sie einer fremden Frau Hoffnung schenken konnte

Julia Schmitz konnte zuhören, Trost spenden, am Krankenbett sitzen. Doch ihre Freundinnen vor dem Tod retten, das konnte die 32-Jährige nicht. Kerstin starb 2018 mit 30 Jahren an Leukämie, Alexandra (32) im Januar in Folge einer Brustkrebserkrankung. Eine weitere Freundin verlor die junge Frau aus Bornheim (Nordrhein-Westfalen) 2019 bei einem tragischen Unfall.

„Die Trauer war sehr schlimm und wird nie ganz vergehen“, sagt Julia im Interview, als wir sie besuchen. Geholfen haben ihr eine Therapie, der Glaube, die Familie – und dass sie inmitten des ganzen Unglücks für eine fremde Frau das machen konnte, was sie so gern auch für ihre Freundinnen getan hätte: Ihr leben retten.

„Als Kerstin an Leukämie erkrankte, war es ihr letzter Wunsch, dass wir uns alle als Knochenmarkspender registrieren lassen“, erzählte die Mutter eines Sohnes (2). Rund vier Jahre später kam der Anruf von der DKMS. „Ich habe keine Sekunde gezögert und, ohne mit meinem Mann darüber zu reden, zugesagt“, sagt Julia. Diesmal konnte sie helfen und es war so leicht!

Unvergesslich für Julia bleibt, dass sie ihrer todkranken Freundin Alexandra noch von der Knochenmarkspende erzählen konnte: Manchmal gibt es sie doch: die Rettung in letzter Sekunde.

Diesmal konnte Julia helfen und es war so leicht!

„Alex sagte daraufhin zu mir: ‚Du bist ein absoluter Engel‘. Das war das Allerschönste für mich“, sagt Julia. Seitdem ist ihr noch wichtiger, so viele Menschen wie möglich davon zu überzeugen, sich bei der Knochenmarkspenderdatei zu registrieren.

Im Dezember 2022 ging Julias lebensrettende Spende an die Empfängerin auf die Reise in die USA – und mit ihr ein persönlicher Brief. „Natürlich würde ich mich freuen, wenn sie mir eines Tages antwortet, aber noch mehr hoffe ich, dass sie gesund wird.“

 

 

Dank ihm lernen die Kinder des Krieges wieder lachen

Wie Roman Korniiko (55) in einer dramatischen Rettungsaktion neue Hoffnung schuf

„Sind sie ein Held?“ Kinderarzt Roman Korniiko (55) aus Kiew (Ukraine) schüttelt den Kopf. „Die Menschen in Deutschland sind Helden. Sie halfen uns allen.“ Es sind viele helfende Hände gefragt, seit 200 Waisen- und Pflegekinder in Freiburg im Breisgau Ende Februar 2022 eine neue Chance fanden. Dank Roman, der das „Vaterhaus“ gegründet hat.

Tausende Kinder holte der Kinderarzt von der Straße

Es war Gott, der ihm 1996 in Kiew die Augen für die Straßenkinder öffnete. „Meine Ehe war am Ende. Ich ging in die Kirche. Dort wurde mir klar, nicht meine Frau, sondern ich bin für das Scheitern verantwortlich. Dass ich mich mit ihr aussöhnen und um die Ärmsten kümmern muss“, erinnert sich Roman. Das hat seine Ehe gerettet – und unzählige Jungs und Mädchen. Als ihre Wohnung von zehn Kindern überquoll, mietet das Ehepaar Korniiko eine weitere Wohnung, danach Haus um Haus. „Ich sah diese Kinder plötzlich überall“, erzählte der Kinderarzt. Hunderte nahm er in seinen Heimen auf. Er hängt die Medizin-Karriere an den Nagel, wurde Waisenhaus-Vater. Auch mit Präsident Selenskyj besprach er, was für Straßenkinder zu tun ist. Und wo das Geld herkommen kann.

Doch nach 26 Jahren ballten sich dunkle Wolken über seiner Heimat. Roman hatte sich zum Glück auf den Krieg vorbereitet. Seine Mitarbeiter machten Erste-Hilfe-Kurse. Sechs Busfahrer standen bereit. Als am 24. Februar die ersten Bomben fielen, packten über 150 Kinder ihre Rucksäcke oder Plastiktüten. Mit Betreuern waren es fast 200 Menschen, die mit Bussen auf die 2000 km-Reise nach Freiburg gingen. Sie wurden beschossen, jeder Stopp war gefährlich.

Die Freiburger leisteten Großartiges für die Waisenkinder

Die Evangelische Stadtmission in Freiburg hatte das Vaterhaus seit vielen Jahren unterstützt. Sie empfing die verstörten Kinder, die sich an ihre Kuscheltiere klammerten, und die Mitarbeiter mit offenen Armen im Breisgau. Heute gehen die Kinder zur Schule und in Sportvereine. Sie leben sich hier ein, bis sie vielleicht eines Tages zurückkehren können. Ein Teil wurde in einem Ex-Kurhotel in Bad Krozingen untergebracht. Helferinnen und Spender stehen ihnen immer noch zur Seite. In Freiburg gibt es eine Menge Menschen mit dem Zeug zum Helden. Roman ist einer von ihnen.

 

Spaß am Älterwerden? Der kann ansteckend sein!

Waltraud Bräuß (86) räumt mit Vorurteilen auf und macht technisch mobil. Am liebsten mit Enkel Felix.

Ein Teil ihres Erfolgsgeheimnis zeigt sich im ersten Satz: „Hallo, kennt ihr das auch?“, fragt Waltraud Bräuß in ihren Videos stets zu Beginn. Dann stimmt die 86-Jährige aus Elmshorn (Schleswig-Holstein) ein traditionelles Kinderlied an oder zeigt einen Handspielreim. Und ja, das kennen die Fans meistens, vielleicht von der eigenen Oma sogar. Nostalgie pur!

Waltrauds Fans kommen aus allen Altersstufen

Fast 60 000 Fans hat Waltraud auf dem sozialen Netzwerk TikTok. Dabei geht es der fünffachen Oma (und bald einfachen Uroma) nicht darum, als Influencerin Geld zu machen. Nein! Waltraud Bräuß steht vor allem aus einem Grund wöchentlich vor der Kamera: aus Spaß. Und sie bewirkt dabei viel.

Mit ihren Beiträgen von „Leise rieselt der Schnee“ über „Bruder Jakob“ zu „Das ist der Daumen“ (der schüttelt die Pflaumen) macht sie aber auch vielen Menschen große Freude – und widerlegt nebenbei elegant das Vorurteil, ältere Menschen seien generell technisch abgehängt. „Meine Zielgruppe reicht von 12 bis 99 Jahren“, erzählt sie im Interview mit uns. Jüngere Fans fühlen sich an ihre Kindheit erinnert. Manche von ihnen, die ihre Oma bereits verloren haben, gehen Waltrauds Beiträgen direkt ins Herz, sie trösten und schenken ein Gefühl von Geborgenheit. Das lassen sie die TikTok-Oma in ihren Kommentaren oft wissen. „Andere Großmütter teilen indes gern ihre Kinderlieblingslieder mit mir“, erzählt sie.

Enkel Felix kam auf die Idee Internet-Videos zu drehen

Auf die Idee hat Waltraud übrigens ihr Enkel Felix gebracht. Der 29-Jährige steht hinter der Kamera und ist für jeden Unfug seiner Oma zu haben. Wenn sie zusammen drehen, reden sie auch über ihren Alltag und genießen das verbindende Hobby. „Wir haben schon ein besonders inniges Verhältnis“ sagt Felix und so wie er seine Oma jung hält, so steht sie ihm bei Sorgen mit gelassener Weisheit zu Seite. Und da würde sicher auch jeder Enkel und jede Oma gern sagen, „Hallo, das kenne ich auch!“

Mein Sohn wird meine Liebe nie vergessen

Es ist eine Geschichte, die zum Nachdenken anregt 

Michal ist unruhig. Mutter Aneta Kacik (44) nimmt den für sein Alter großen Jungen auf den Schoß, wiegt ihn hin und her. Seine Hände greifen unkoordiniert in die Luft, er stößt unverständliche Laute aus. „Er möchte fernsehen“, sagt seine Schwester Julia (11) und schaltet das TV-Gerät ein. Tatsächlich, Michal wird sofort ruhig, er lächelt.

„Er fiel plötzlich um, konnte nicht mehr gehen“

Bis zum dritten Lebensjahr entwickelte Michal sich normal. Doch eines Tages fing er an zu zittern, musste sich übergeben. 14 Tage später geschah es wieder. Besorgt fuhr Aneta mit Michal ins Krankenhaus. Der Arzt diagnostizierte Epilepsie und verschrieb Medikamente. Doch von Woche zu Woche wurde Michal kraftloser. „Er fiel plötzlich um, konnte nicht mehr gehen. Auch die Worte verloren sich, er sprach nicht mehr“, erzählt Mutter Aneta. Im Klinikum Warschau wurden umfangreiche Blutuntersuchungen gemacht. Die niederschmetternde Diagnose: Kinderdemenz (CLN2-Krankheit). Bei dieser Krankheit baut das Gehirn immer weiter ab. Der Abbau geht mit Krampfanfällen, dem Verlust der Sehkraft und sämtlicher Fähigkeiten wie Laufen und Co. einher und führt zum Tod.

Ihren Beruf als Polizistin musste sie aufgeben.

Die Ärzte erzählten Aneta von einer neuen Studie mit Gentherapie in Hamburg am Universitätskrankenhaus (UKE). Für die Mutter ein Hoffnungsschimmer. „Für mich war klar, dass ich mit Michal nach Deutschland muss. Vielleicht gibt es eine Chance für ihn“, so die Polizistin. Sie ließ sich für drei Jahre beurlauben und zog mit ihren Kindern in den in den Landkreis Harburg. Von dem Ex-Mann lebte sich schon länger getrennt.

Doch die Studie dauert noch an. Und es ist klar, dass es keine Gesundung geben wird. „Vielleicht eines Tages ein Stillstand“, hofft Aneta, kämpft und kümmert sich. Michal muss gefüttert, gewickelt, getragen werden. Er schläft selten durch, braucht 24 Stunden am Tag Pflege und Betreuung.

Aneta reist alle 14 tage mit Michal ins UKE. Ihr Job in Polen ist weg. Die tapfere Mutter erhält Unterstützung von staatlicher Seite, wie Zuschüsse zur Miete. Sie nimmt an Integrations- und Sprachkursen teil, um Arbeit zu finden. Die Familie wird außerdem vom Hospizdienst Winsen betreut.

Aneta hofft, dass Michals Krankheit durch die Behandlung gestoppt wird. „Falls nicht“, so die Mutter mit Tränen in den Augen, „möchte ich zumindest noch so viele Tage wie möglich mit meinem Kind verbringen“.

 

Eine Freundschaft fürs Leben

Sina und Tina – es ist die Geschichte einer Freundschaft, die das Leben wieder leuchten lässt.

August 2021. Krankenpflegerin Christina Modrzejewski (27) hat eine plötzlich einsetzende Schwäche in den Beinen sowie Schmerzen, Kribbeln und ein taubes Gefühl in allen Gliedmaßen. Die Diagnose: Guillain-Barré-Syndrom (GBS), eine schwere Nervenerkrankung. Innerhalb weniger Tage kommt es zu Lähmungen im ganzen Körper. Sechs Monate lang liegt sie im Krankenhaus und ist in der Frührehabilitation.

Als sie mit der ambulanten Reha beginnt, tritt Physiotherapeutin Sina Zahl (31) in Tinas Leben. Die beiden mögen sich auf Anhieb und arbeiten gemeinsam hart daran, dass Tina wieder auf die Beine kommt. „Anfangs waren meine Bewegungen unkoordiniert, ich konnte mich nicht gerade halten.“ Jeden Tag trainieren sie von 9 bis 15 Uhr im Gesundheitszentrum Lang in Dinslaken. Bald waren Tinas Koordination und Kraft so weit gewachsen, dass sie das Workout steigern konnte. Auch in der Freizeit wird das Duo unzertrennlich. Sie gehen auf Konzerte, ins Kino, in den Club. Sie treffen Freunde, gehen mit ihren Hunden spazieren. Ihr Training, ihre Erfolge, ihre Freundschaft, ihre Erlebnisse teilen sie auf dem Instagram-Account @sinaundtina. Denn es ist ihnen wichtig, anderen Mut zu machen!

Von einem Tag auf den anderen ändert sich alles.

Und: Tina nimmt Fahrstunden für ihr behindertengerecht umgebauten Wagen. „Viele Menschen mit Handicap haben Angst vor diesem Schritt. Aber es lohnt sich, diese Angst zu überwinden und dadurch mehr Flexibilität und Eigenständigkeit ins Leben zu bekommen!“, freut sich Tina sich unbändig.

Seit dem 1. April arbeitet sie auch wieder – in Vollzeit – als Stationsassistentin in der BG Klinik Duisburg auf der Station für Rückenmarksverletzungen. „Das macht für mich total Sinn. Ich kann die Menschen, die hier liegen, am allerbesten verstehen – und ihnen mit meinem Beispiel vielleicht Mut machen“, hat Tina sich festvorgenommen. „Es lohnt sich, immer wieder neue Kraft zu sammeln und sein Leben neu gestalten. Egal wie schwer es ist.“