Mein Sohn wird meine Liebe nie vergessen
Es ist eine Geschichte, die zum Nachdenken anregt
Michal ist unruhig. Mutter Aneta Kacik (44) nimmt den für sein Alter großen Jungen auf den Schoß, wiegt ihn hin und her. Seine Hände greifen unkoordiniert in die Luft, er stößt unverständliche Laute aus. „Er möchte fernsehen“, sagt seine Schwester Julia (11) und schaltet das TV-Gerät ein. Tatsächlich, Michal wird sofort ruhig, er lächelt.
„Er fiel plötzlich um, konnte nicht mehr gehen“
Bis zum dritten Lebensjahr entwickelte Michal sich normal. Doch eines Tages fing er an zu zittern, musste sich übergeben. 14 Tage später geschah es wieder. Besorgt fuhr Aneta mit Michal ins Krankenhaus. Der Arzt diagnostizierte Epilepsie und verschrieb Medikamente. Doch von Woche zu Woche wurde Michal kraftloser. „Er fiel plötzlich um, konnte nicht mehr gehen. Auch die Worte verloren sich, er sprach nicht mehr“, erzählt Mutter Aneta. Im Klinikum Warschau wurden umfangreiche Blutuntersuchungen gemacht. Die niederschmetternde Diagnose: Kinderdemenz (CLN2-Krankheit). Bei dieser Krankheit baut das Gehirn immer weiter ab. Der Abbau geht mit Krampfanfällen, dem Verlust der Sehkraft und sämtlicher Fähigkeiten wie Laufen und Co. einher und führt zum Tod.
Ihren Beruf als Polizistin musste sie aufgeben.
Die Ärzte erzählten Aneta von einer neuen Studie mit Gentherapie in Hamburg am Universitätskrankenhaus (UKE). Für die Mutter ein Hoffnungsschimmer. „Für mich war klar, dass ich mit Michal nach Deutschland muss. Vielleicht gibt es eine Chance für ihn“, so die Polizistin. Sie ließ sich für drei Jahre beurlauben und zog mit ihren Kindern in den in den Landkreis Harburg. Von dem Ex-Mann lebte sich schon länger getrennt.
Doch die Studie dauert noch an. Und es ist klar, dass es keine Gesundung geben wird. „Vielleicht eines Tages ein Stillstand“, hofft Aneta, kämpft und kümmert sich. Michal muss gefüttert, gewickelt, getragen werden. Er schläft selten durch, braucht 24 Stunden am Tag Pflege und Betreuung.
Aneta reist alle 14 tage mit Michal ins UKE. Ihr Job in Polen ist weg. Die tapfere Mutter erhält Unterstützung von staatlicher Seite, wie Zuschüsse zur Miete. Sie nimmt an Integrations- und Sprachkursen teil, um Arbeit zu finden. Die Familie wird außerdem vom Hospizdienst Winsen betreut.
Aneta hofft, dass Michals Krankheit durch die Behandlung gestoppt wird. „Falls nicht“, so die Mutter mit Tränen in den Augen, „möchte ich zumindest noch so viele Tage wie möglich mit meinem Kind verbringen“.